Entdecken Sie das neue österreichische FlexKapGG: Ein Meilenstein im Kapitalgesellschaftsrecht, der Startups und wachsenden Unternehmen innovative Beteiligungsmodelle und mehr Flexibilität bietet. Erfahren Sie mehr über die Chancen und Herausforderungen dieser Reform.
Mit Anfang dieses Jahres ist die lang erwartete Reform des österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts in Kraft getreten, das Flexible-Kapitalgesellschafts-Gesetz (kurz: FlexKapGG). Ziel war es, eine Gesellschaftsform zu schaffen, welche es insbesondere sogenannten „Startups“ erleichtert, in der Gründungsphase nvestoren – insbesondere ausländische, denen die Feinheiten des österreichischen Kapitalgesellschaftsrecht fremd sind - ins Boot zu holen, und es weiters vor allem für neu gegründete Gesellschaften leichter macht, Mitarbeiter am Unternehmen zu beteiligen und im Gegenzug laufende Gehaltszahlungen zu reduzieren (die Aussicht auf eine Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg – falls die Gesellschaft floriert – soll den Mitarbeitern ein niedrigeres Gehalt schmackhaft machen).
Nachdem sich die Erlassung des Gesetzes verzögerte, weil sich zuletzt immer mehr Widerstand (zB seitens der Arbeiterkammer) dagegen regte, wurde das Gesetz schließlich im Dezember 2023 im Rekordtempo durchgewunken – nein in den letzten Jahren in der österreichischen Gesetzgebung nicht selten zu beobachtendes Phänomen. Herausgekommen ist ein Gesetz, das viele Fragen offen lässt.
Vorweg ist einmal auf Folgendes hinzuweisen: Die Flexible Kapitalgesellschaft (FlexKap) verdrängt die bewährte Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) nicht, sie baut vielmehr darauf auf. Denn eingangs des FlexKapGG findet sich die Anordnung, wonach auf die FlexKap die Regeln des GmbH-Rechtes Anwendung finden, soweit im FlexKapGG keine abweichenden Regelungen getroffen werden. Das bedeutet insbesondere, dass die strengen Regeln über die Geschäftsführerhaftung und über die Kapitalerhaltung grundsätzlich auch für die FlexKap gelten. Die Gründung einer FlexKap stellt den Geschäftsführern und Gesellschaftern also keinen Freibrief aus, dort all das zu tun, was Ihnen in der GmbH verboten war, zB der Gesellschaft im Eigentum eines Gesellschafters stehende Sachen (etwa Liegenschaften) teuer zu vermieten oder zu verkaufen.
Darüber hinaus spielt die FlexKap aber eine Reihe von „Stückeln“, die eine GmbH nicht spielen kann, jedoch wie erwähnt immer auf der Basis des bewährten GmbH-Rechtes. Es lässt sich daher nicht von vornherein sagen, die FlexKap wäre die unseriösere Gesellschaftsform. Um es in einem Bild auszudrücken: Die GmbH ist wie ein Auto, das für den normalen Straßenverkehr zugelassen ist, die FlexKap ist wie ein Rennauto. Auch mit einem Rennauto kann man im normalen Straßenverkehr fahren, aber dafür legt man es sich wohl kaum zu. Wenn man eine solche Anschaffung tätigt, dann deshalb, um Rennen damit zu bestreiten. Wenn man aber an einem Rennen teilnimmt, steht man vor der Herausforderung, ein derartiges Fahrzeug zu beherrschen. Und genau darin besteht meines Erachtens die große Gefahr bei der FlexKap, was kurz und exemplarisch an dem zentralen Regelungsbereich des neuen Gesetzes, den sogenannten Unternehmenswert-Anteilen gezeigt sei.
Wie bereits erwähnt, ist es ein zentrales Anliegen des Gesetzgebers, es Gesellschaften vor allem in der Gründungsphase zu erleichtern, Mitarbeiter am (erhofften) Unternehmenserfolg zu beteiligen. Rechtstechnisch geschieht durch die Ausgabe von Unternehmenswert-Anteilen, welche im Gesellschaftsvertrag der FlexKap vorgesehen werden kann, aber nicht muss. Diese dürfen maximal 24,99% des Stammkapitals ausmachen. Die solcherart Beteiligten haben zwar einen Gewinnanspruch, aber kein Stimmrecht und sind damit den stimmrechtslosen Vorzugsaktionären bei einer Aktiengesellschaft vergleichbar. Sie scheinen nicht im Firmenbuch auf, sondern dort ist nur die Summe der Unternehmenswertanteile ersichtlich. Abweichend von der GmbH, bei der die Mindeststammeinlage € 70 beträgt, müssen Unternehmenswertanteile bloß mindestens 1 Cent betragen. Das erleichtert die Hereinnahme von neuen Personen, die nur in ganz geringem Ausmaß an der Gesellschaft beteiligt sein sollen, was bei der GmbH nicht möglich wäre. Außerdem haben sie zwingend ein Mitverkaufsrecht (im anglo-amerikanischen Rechtssystem spricht man von einem sog „tag-along-right“), wenn jene Personen, die zum Zeitpunkt der Ausgabe der Unternehmenswertanteile die Mehrheit des Stammkapitals hatten (die sog „Gründungsgesellschafter), diese Anteile mehrheitlich an dritte Personen veräußern. Die Verletzung dieses Mitverkaufsrechtes hat die Unwirksamkeit der Anteilsübertragung (durch die Gründungsgesellschafter an die dritte Person) zur Folge.
Diese Unternehmenswertbeteiligungen werfen eine Fülle von Problemen und Fragen auf, wie zB:
Die Liste ließe sich noch länger fortsetzen.
Eine nicht zu unterschätzende psychologische Hürde sei noch abschließend erwähnt: Während die GmbH fast immer ohne einen Aufsichtsrat auskommt, besteht für die FlexKap eine erweiterte Aufsichtsratspflicht. Diese greift nämlich schon dann, wenn es sich um eine mittelgroße Kapitalgesellschaft handelt (wofür Bilanzsumme, Umsatzerlöse und Mitarbeiterzahl maßgeblich sind; siehe § 221 Unternehmensgesetzbuch). Hintergrund ist, dass durch die Gründung einer FlexKap, welche letztlich eine Mischform zwischen GmbH und Aktiengesellschaft ist, nicht die Regeln des Aktienrechts über die zwingende Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat umgangen werden sollen. Da gerade den Verfechtern der FlexKap an möglichst geringer Kontrolle von außen gelegen ist, wird diese erweiterte Aufsichtsratspflicht ein Hemmschuh nicht nur für die Gründung, sondern auch für die (jederzeit mögliche) Umwandlung einer GmbH in eine FlexKap sein.
Fazit
Auch wenn es für ein abschließendes Urteil derzeit sicher noch zu früh ist, wird abzuwarten sein, wie sehr FlexKaps in Zukunft nicht nur gegründet werden, sondern wie sehr die in dem neuen Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten tatsächlich ausgeschöpft werden. Mit ziemlicher Sicherheit lässt sich freilich eines sagen: Je mehr von diesen Möglichkeiten Gebrauch gemacht werden wird, umso höher werden das Streit- und Haftungspotential und damit auch der Beratungsaufwand sein. Wer sich als Jurist auf dieses Wagnis einlässt, wird sich nicht mehr um viele andere rechtliche Angelegenheiten kümmern können. Es wird also eine neue Spezialisierung entstehen und Spezialisten sind immer teurer als Allgemeinpraktiker, womit ein Grundanliegen des FlexKap konterkariert würde.
Gründern ist zu raten, von den Möglichkeiten der FlexKap nur dann Gebrauch zu machen, wenn ein wirklicher Bedarf besteht und für bestehende Gesellschaft besteht kein Anlass, übereilt in die FlexKap zu wechseln, zumal in einem immer wieder diskutierten Punkt ein Gleichklang zwischen FlexKap und GmbH hergestellt wurde: Beide können nunmehr mit einem Stammkapital von € 10.000 gegründet werden, welches nur zur Hälfte bar einbezahlt werden muss.
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